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Handlettering mit Petra Wöhrmann

Am Wochenende des 1. und 2. Juli 2017 habe ich an der GBS den freien Kurs “Handlettering – mit Spitzfeder und Brushpen” von Petra Wöhrmann besucht.
Ein ganzes Wochenende lang schreiben und Buchstaben zeichnen – uff– obwohl ich als Designer schon öfter mit dem Thema zu tun hatte, war ich sehr gespannt. Voller Neugierde gehe ich also am Samstagmorgen zum Kurs. Wir sind in einem Klassenzimmer am Riethüsli, wo jeder seinen eigenen höhenverstellbaren Tisch mit den toll vorbereiteten Materialien von Petra Wöhrmann vor sich liegen hatte. Wir sind 10 Teilnehmer, die alle gespannt zuhören und zuschauen, was Petra im Arbeitsalltag schon für tolle Lettering-Projekte verwirklicht hat und was sie da vor uns mit Ihrer Spitzfeder zaubert (Kamera am Pult).

The quick brown fox jumps over the lazy dog.

Tag 1 – die Spitzfeder
Natürlich wollen wir gleich wie wild loslegen, doch lernen wir schnell, das Tempo erstmal einen – nein – zwei (!!!) Gänge herunterzuschalten. Kalligrafie braucht viel Geduld, Zeit und Übung.
Das Material, das vor uns liegt und mit dem wir die kommenden Stunden arbeiten , besteht aus einem Ordner mit Vorlagen / Beispielen, einem Oblique-Federhalter, einer Feder, zwei kleinen Tintenbehältnissen, einem fusselfreien Tuch und einem Löschpapier. Das Layout-Papier, Bleistift etc. haben wir selbst mitgebracht.

Wir machen uns als erstes mit der Feder vertraut – warum sieht sie so aus, wie halte ich sie richtig, wie tief muss sie eingetaucht werden und auf welcher Seite des Papiers schreibt sie am besten.
Die ersten Übungen, die so einfach erschienen, haben uns gleich einmal gezeigt, wie anders das Schreiben mit einer Feder ist. Es kratzt und ist rau, ganz anders als mit einem Füllfederhalter, der im Vergleich wie ein Rolls Roys übers Papier gleitet.

 

Den Vormittag verbringen wir mit Übungen verschiedener Komplexität – Grundstriche, Linien, Ovale (auf ihnen basieren eine ganze Menge Buchstaben, also sehr wichtig) bis hin zu ganzen Worten in Klein- und Grossbuchstaben. Wir lernen eine Mischung der Schriftarten Copperplate (Roundhand) und Spencerian Script. Letztere kennen wir alle von der Getränkemarke mit dem roten geschwungenen Schriftzug. Kursivschriften, deren Buchstaben, wenn man es dann richtig macht, haben alle den gleichen schrägen Winkel (45°–55°). Auch die Anatomie eines jeden Buchstaben wird plötzlich interessant. Wo fängt man an? Welchen Teil des Buchtaben zeichne ich zuerst? Und wie verbinde ich sie zu einem Wort? Wir lernen quasi schreiben neu.

 

Es ist wirklich nicht einfach und wir sind jedes Mail baff, mit welcher Leichtigkeit und Grazie Petra die Worte vorschreibt. Bei uns sieht es noch lange nicht so aus. Wer hätte das gedacht?

Besonders spannend war es dann, einen ganzen Satz zu schreiben, in dem alle Buchstaben vertreten sind. Nämlich “The quick brown fox jumps over the lazy dog.” Wer kennt ihn nicht? Also machten wir uns daran, ihn schön auf einer Linie und im gleichen Winkel zu schreiben. Ein neues Phänomen stellte sich ein – das Vergessen einzelner Buchstaben! Hmm… das ist mir ja lange nicht mehr passiert. Wir sind so konzentriert auf die Technik, dass wir manchmal Buchstaben vergassen. In regelmässigen Abständen hört man immer wieder im Klassenzimmer “Oh, nein” und jeder schmunzelt, weil er genau weiss, was gerade passiert ist. Da hilft alles nichts. Einfach noch einmal von vorn anfangen – Übung macht den Meister.

 

Petra zeige uns als nächstes, wie man in Gold oder Silber schreiben kann. Dazu nahm sie einen Malkasten mit verschiedenen Perlglanzfarben. Diese werden mit Hilfe eines Pinsels mit Wasserreservoir verflüssigt und auf die hintere Seite der Feder gestrichen. Faszinierend. Jetzt schreibt Petra auf schwarzem Karton unsre Namen und wieder kommen wir aus dem Staunen nicht heraus. Goldig funkeln unsere Namen, die wir aber morgen erst bekommen, da sie noch mit silber verziert werden und trocken müssen. Tag eins geht also voller Faszination zu Ende und wir freuen uns schon auf morgen.

Tag 2 – der Brushpen
Heute haben wir einen eigenen Spruch mitgebracht, den wir am Ende in ein eigenes Design verwandeln dürfen, aber erst gibt es Neues zum Thema Brushpen – quasi Handlettering mit Stiften und Kalligrafie-Wissen. Im Gegensatz zur Feder ist der Brushpen ein weicher Pinsel mit Tintenreservoir. Diesen muss man wieder ganz anders handhaben, also fangen wir wieder von vorne an und zeichnen – ja genau – Striche und Ovale… aber auch Worte und Sätze.
Wichtig ist, den richtigen Druck auszuüben, um die gewünschten dünnen Upstrokes und die fetten Downstrokes zu erhalten. Man kann richtig dicke Linien machen. Petra kommt immer wieder bei jedem von uns vorbei und zeigt uns Ihre Kniffe.

Nach der Hände-Ausschüttel- und Augen-Auflockerungs-Pause machen wir uns nun an unser eigenes Design. Jeder hat seinen Spruch parat, wählt nun den Stil und die Ausarbeitung – Kalligrafie mit Spitzfeder oder ein gemischter Stil Handlettering mit Fineliner, Brushpen und Feder? Bevor es soweit ist, machen wir kleine Bleistiftskizzen, radieren viel und optimieren das Design.

 

Als jeder zufrieden ist, geht es an die Vergrösserung der Skizze und das Übertragen auf tolles Papier, das viel dicker ist als das Layout-Papier. Wir dürfen uns sogar an weisse Tinte auf schwarzem Papier wagen.

 

Zum Übertragen auf den dicken satininierten Bristol-Karton verwenden wir einen Leuchttisch. Das Design scheint durch und ohne später noch Radieren zu müssen, kann sofort mit Tinte und Feder gearbeitet werden. Immer schön locker in den Händen. Oh je, ist das spannend. Jetzt erst verstehen wir, die Herausforderung einer Auftragsarbeit. Jeder Strich muss sitzen.

Die Freude war gross, als wir am Ende alle unsere Designs neben einander gelegt sahen.
Toll, was in 2 Tagen entstehen kann. Alle sind begeistert, bereichert und inspiriert weiterzumachen. Ein sehr gelungenes Wochenende mit einer tollen Lehrerin.

 

Danke, Petra Wöhrmann. Wir kommen wieder und machen weiter. Kalligrafie-Ehrenwort.